mobile Navigation Icon

Politische Bildung » Schulkultur und Schulentwicklung » Partizipationsmöglichkeiten in der Schule » Konfliktbearbeitung und systematische Mediation

Konfliktbearbeitung und systemische Mediation

Auch in der Schule kann es immer mal wieder zu Konflikten kommen. Dabei wäre es natürlich wünschenswert, wenn die Konfliktparteien ihre Auseinandersetzung konstruktiv lösen und den Konflikt selbstständig befrieden. Manchmal bedarf es aber der Intervention von außen um einen Konflikt zu schlichten. In der schulischen Praxis hat sich dabei u. a. das Verfahren der Mediation bewährt. 

Bei der Mediation kommt es darauf an, die Konfliktparteien im größtmöglichen Maß in die Konfliktbearbeitung einzubinden und auf diese Weise Partizipation zu ermöglichen. Dabei unterstützt eine am Konflikt unbeteiligte dritte Person die Bearbeitung und die gemeinsame Lösungsfindung. Im Zentrum steht dabei die Idee, den jeweiligen Konfliktparteien zu helfen, sich in die Perspektive des Gegenübers zu versetzen, um die Hintergründe der Auseinandersetzung sichtbar zu machen und zu verstehen. D. h., die Beteiligten sollen den Konflikt verstehen, Empathie für den Kontrahenten entwickeln bzw. einen Perspektivwechsel vollziehen können und darauf aufbauend gemeinsam eine Lösungsstrategie entwickeln.

Der Mediator gibt dafür die notwendige Hilfestellung und macht das Verfahren transparent. Zu jedem Verfahrensschritt gehört es auch, die Zustimmung der Beteiligten einzuholen. Durch die Beleuchtung des Konflikts wird versucht, die Motive und dahinter liegenden Begründungen genauer zu erschließen. Voraussetzung für eine Mediation ist es, dass die Konfliktparteien auch beide an einer Lösungsfindung interessiert sind. 

Zu den zentralen Schritten in einem Mediationsverfahren gehört: 

1. Klärung der Rahmenbedingungen (u. a. Darstellung des Zeitrahmens und Erläuterung der Regeln unter Zustimmung der Beteiligten.)

2. Darstellung des Konflikts 

3. Erhellung des Konflikts 

4. Finden von Lösungsoptionen

5 Treffen von Vereinbarungen

Bei einer Mediation geht es weniger um das Auffinden einer schnellen Lösung, sondern vielmehr um eine Art Entschleunigung. Es geht darum, sich die Zeit zu nehmen, eine Haltungsänderung i. d. S. herbeizuführen, dass gemeinsam nach einer konstruktiven Lösung des Konflikts gesucht wird.

Vgl. dazu Rademacher, Helmut / Hartig, Christiane (2007): Mediation als partizipatorisches Element in einer demokratischen Schulkultur. In: Eikel, Angelika / de Haan, Gerhard (Hrsg.): Demokratische Partizipation in der Schule, S. 159 - 172. 

Streitschlichterprogramm bzw. Peer Mediation

Die Konzeption des Streitschlichterprogramms ist ursprünglich abgeleitet vom Begriff der Mediation, d. h. der Vermittlung zwischen Konfliktparteien durch eine oder mehrere unparteiische Personen. Von Streitschlichtern spricht man generell, wenn Kinder und Jugendliche ihren gleichaltrigen oder jüngeren Mitschülern helfen, Konflikte friedlich beizulegen. Der Begriff kommt aus dem Angloamerikanischen, man spricht auch von Peer Mediation. Auch wenn Schülerinnen und Schüler auf diese Aufgabe vorbereitet werden, ist es eine Art Laienhilfe.
Die Streitschlichtermodelle haben in Deutschland seit Beginn der 90er Jahre hauptsächlich von den Haupt- und Grundschulen ihren Ausgang genommen, wurden wenig später jedoch auch erfolgreich an den Realschulen und Gymnasien praktiziert.

Der zugrunde liegende Gedanke geht von einer Mitbeteiligung und Mitverantwortung von Schülerinnen und Schülern innerhalb der Kommunikations- und Konfliktkultur der Schule aus. Es handelt sich auch um eine Art Delegationsprinzip, nämlich Probleme an der jeweils niedrigsten Ebene zu lösen, sofern sie dort lösbar sind. Lehrer können dabei von ihren Alltagskonflikten zumindest zum Teil entlastet werden. Hierbei kann allerdings die Kompetenz und Verantwortung der Lehrkraft nicht voll ersetzt werden und es gibt auch Grenzen für die Streitschlichtung von Schülern. Beipielsweise sollte die Einbeziehung von Schülern Expertenmeinung zufolge bei Mobbingprozessen ausdrücklich nicht stattfinden, weil mit dieser Aufgabe Schüler überfordert wären.
Kern der Streitschlichtung von Schülern ist, dass die Streitschlichter, die meist im Zweierteam arbeiten, den Standpunkt der Konfliktparteien darstellen und begründen lassen. Die Aufgabe der Streitschlichter besteht nun darin, diese Positionen zusammenzufassen und nach einer Lösung zu suchen, die den unterschiedlichen Kontrahenten bestmöglich gerecht wird.

Natürlich muss am Beginn eines solchen Modells eine Bedarfsanalyse stehen, eine bewusste Entscheidung der Schule für die Einführung oder nicht. Falls die Entscheidung positiv ausfällt, werden die Streitschlichter in einer Art Training auf ihre Aufgabe vorbereitet. Zunächst werden den künftigen Streitschlichtern in einem ersten Schritt nur die wichtigsten grundlegenden Kompetenzen der Konfliktregelung vermittelt wie Einleiten des Gesprächs, aktives Zuhören, Zusammenfassen der konträren Ansätze, Positionen und dahinter stehende Gefühle erkennen und Schlichtungsmöglichkeiten durch Fragen und Anreize auf den Weg bringen. Später können durch weitere Übungen weitere Kompetenzen erworben werden wie die das Agieren in interkulturellen Beziehungen (z.B. Sprachbarrieren, unterschiedliche Wertvorstellungen etc.).
Das Training und die Vorbereitung der Streitschlichter finden u. a. in praxisbezogenen Rollenspielen statt, bei der Weiterbildung von älteren Schülern wird auch einschlägige Literatur zugänglich gemacht.
In einem Zeitraum von vier bis acht Wochen werden die Streitschlichter intensiv zwischen 9 und 15 Stunden auf ihre Aufgabe vorbereitet. Die Vorbereitung wird dabei in der Regel von zwei Trainern durchgeführt, wobei auch eine schulexterne Person (z.B. Sozialpädagoge, Sozialarbeiter) einbezogen werden kann. Am Anfang werden selbständig durchgeführte Streitschlichtungen durch Supervision begleitet werden müssen, bis die Streitschlichter die notwendige Erfahrung und Sicherheit erwerben.
Der Ablauf der Streitschlichtung stellt sich in folgenden Phasen dar:

  • Einleitung des Gesprächs, Ziel der Schlichtung, Zusicherung der Vertraulichkeit, Erläuterung des Verfahrens
  • Vortragen der unterschiedlichen Standpunkte und Sichtweisen
  • Konfliktparteien formulieren ihre Standpunkte, Streitschlichter fassen zusammen
  • Konflikt auf den Punkt bringen, zugrunde liegende Gefühle klären
  • Problemlösung und Konsens anvisieren ->unterschiedliche Lösungsansätze vorschlagen, besprechen und bewerten
  • Vereinbarung treffen
  • vereinbarten Lösungsweg genau definieren, schriftlich festhalten, möglicherweise Folgetreffen vereinbaren

Häufig warten Streitschlichter/innen zu bestimmten Zeiten – z.B. in der großen Pause - darauf, von den Streitparteien oder auch von Lehrkräften auf schwelende Konfliktfälle angesprochen zu werden. In manchen Schulen gehen die Streitschlichter aktiv auf ihre Mitschüler/innen zu und bieten ihre Vermittlungsmöglichkeiten an.

Nach Einsatz der Streitschlichter an den Schulen gingen die Interventionen der Lehrkräfte um ca. 80 %, die der Schulleitungen bis zu 95 % zurück. Nicht nur für die Konfliktbeilegung wirkten sich die Streitschlichterprogramme günstig aus, sondern auch die Streitschlichter selbst profitierten davon. Durch das Erlernen grundsätzlicher sozialer und kommunikativer Fähigkeiten profitierten die Schülerinnen und Schüler hinsichtlich ihrer Sozialkompetenz und letztlich auch hinsichtlich ihrer Selbstkompetenz. Sie wurden reifer und selbstbewusster.
In einem Interview mit einer Tageszeitung äußerten Streitschlichter die Folgen ihre Aufgabe für sie selbst:
Franziska: „Ich habe zum Beispiel gelernt, aus ´Du-Sätzen` möglichst Ích-Sätze` zu machen, also bei Auseinandersetzungen Aussagen zu vermeiden, mit denen man immer mit dem Finger auf andere zeigt. Wie zum Beispiel ´Du hast das und das gemacht`.
King: „ Ich war in der fünften und sechsten Klasse eher so ein Draufgängertyp, ein bisschen wilder halt. Aber die Lehrer haben zu mir immer gesagt, ich hätte etwas Gutes in mir. Das hat mich dann dazu gebracht, dass ich doch zu den Streitschlichtern gegangen bin. Seitdem hat man nichts Schlechtes mehr von mir gehört.“
„ Meinen Freunden außerhalb der Schule ist natürlich aufgefallen, dass ich nicht mehr jeden Mist mitmache. (…) Als Schlichter habe ich auch nach der Schule meine Pflichten.“


(„Ich mache jetzt nicht mehr jeden Mist mit“, SZ Nr. 242,18.Okt. 2004,2)

Wenn die Maßnahmen der ausgebildeten Streitschlichter keinen Erfolg haben, wird in der Regel eine Schlichtung durch eine in dieser Hinsicht ausgebildete Lehrkraft angestrebt, die einen Schiedsspruch fällt. In der letzten Instanz wird man nicht um die Schulleiterebene herumkommen.
Da die Schiedssprüche nicht von den Konfliktparteien selbst erarbeitete Lösungen darstellen, ist der Anreiz natürlich groß, einen Konflikt mit den Streitschlichtern anzustreben.


Evaluation
Die Ergebnisse der Evaluation, die an den Schulen natürlich sehr unterschiedlich ausfallen können, sollten in der Schule dargestellt werden. Hier bieten sich Pädagogische Konferenzen, Lehrerkonferenzen, Elternabende sowie Tage der offenen Tür an. Wichtig ist auch, dass den Streitschlichtern für ihr Engagement und ihren Einsatz in der Schulöffentlichkeit Anerkennung zuteil wird. (Vgl. Duden 2003, 62 f., 2004, 16 f., Streitschlichtung Schulmediation, 2005, 4)

Weiterführende Hinweise

Clever streiten für Kids

Das Konzept „Clever streiten für Kids" der Deutschen Stiftung Mediation unterstützt Lehrkräfte dabei, in einer 45-minütigen Unterrichtsstunde mit Dritt- oder Viertklässlern das Thema „Umgang mit Konflikten" zu behandeln. >> Zum Download 

Informationen zu Konflikt, Gewalt und Präventionsmaßnahmen

Weiterführende Hinweise zum Thema Konflikt, Gewalt und Gewaltprävention finden Sie auf der Webseite des Kultusministeriums Bayerns.