Politische Bildung als fächerübergreifendes Bildungsziel
Politische Bildung in der Schule verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz und ermöglicht bewusst auch unterschiedliche Zugänge. Sie ist
- als fächerübergreifendes Bildungs- und Erziehungsziel „Politische Bildung“ Unterrichtsprinzip in allen Fächern (vgl. Gesamtkonzept Kap. 3.1).
- als selbstständiger Unterrichtsgegenstand insbesondere in den Leitfächern der Politischen Bildung fest in den Lehrplänen verankert (vgl. Gesamtkonzept Kap. 3.2).
- im Rahmen von Einrichtungen zur Mitgestaltung des schulischen Lebens wirksam (gemäß Art. 62-73 BayEUG, vgl. Gesamtkonzept Kap. 3.6).
Seit dem Schuljahr 2024/25 ergänzt die Verfassungsviertelstunde als neues Element die bereits bestehenden Maßnahmen des fächer- und schulartübergreifenden Bildungs- und Erziehungsziels der Politischen Bildung um ein neues Element. Sie widmet sich den zentralen Verfassungswerten des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung, insbesondere den Grundrechten in den Artikeln 1 bis 19 des Grundgesetzes, sowie der im Grundgesetz verankerten freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Ziel der Verfassungsviertelstunde ist es, bei Schülerinnen und Schülern das Bewusstsein für die fundamentale Bedeutung der Verfassungswerte für das Leben des Einzelnen, das gesellschaftliche Zusammenleben und die Legitimität der staatlichen Ordnung zu wecken und zu stärken.
In der Verantwortung der Einzelschule liegt es, Politische Bildung innerhalb dieses Rahmens konkret auszugestalten, thematische Schwerpunkte zu setzen und auch über Form, Inhalt und Intensität einer Zusammenarbeit mit externen Partnern zu entscheiden. (Vgl. Gesamtkonzept Kap. 3.4 f.)
Zu den Aufgaben der Politischen Bildung in der Schule gehört es insbesondere, die Grundlagen der demokratischen Gesellschaftsordnung einschließlich ihres Wertekonsenses systematisch zu vermitteln, Handlungskompetenzen anzubahnen und dabei auch die Toleranz-, Kritik- und Konfliktfähigkeit zu schulen, ohne die eine demokratische Ordnung und eine plurale Gesellschaft nicht bestehen können. (Gesamtkonzept, S. 8)
Um aktuelle politische und gesellschaftliche Phänomene zu verstehen, die sich gegen die Demokratie und ihre Freiheitspostulate richten, müssen die Schülerinnen und Schüler lernen, diese in einen geschichtlichen Kontext einzuordnen. Beispiele dafür sind die Bedrohung durch fundamentalistische und extremistische Bewegungen oder auch die Herausforderungen, denen sich die Europäische Union – in ihrem Anspruch im globalen Umfeld ein starker Partner zu sein – gegenüber sieht. Ganz unterschiedliche Phänomene wie Klimawandel, weltweite Migrationsbewegungen, neue Fundamentalismen, ökonomische und kulturelle Globalisierung sowie die digitale Revolution, die künftig noch deutlicher alle Bereiche unseres Lebens durchdringen und verändern wird, stellen weitere Handlungsfelder dar, in denen sich die kommenden Generationen bewähren müssen. Insbesondere eine fundierte historisch-politische Bildung hilft den Schülerinnen und Schülern dabei, diese Herausforderungen zu begreifen und zu bewältigen.
Die Schülerinnen und Schüler erwerben im Laufe ihres Bildungsgangs folgende wesentliche Kompetenzen:
- Sie wenden vertiefte Kenntnisse politischer Ordnungsformen, von Bedingungen politischen Handelns und Abläufen auf allen Ebenen an.
- Sie erwerben die Fähigkeit zur Analyse von Sachverhalten in Politik und Gesellschaft und zur Einordnung in größere Zusammenhänge, um zu einem eigenständigen Urteil zu gelangen.
- Sie lernen vorliegende politische Entscheidungen und Urteile zu analysieren, einen eigenen Standpunkt zu entwickeln und eigene politische Urteile begründet zu fällen.
- Sie entwickeln auch durch die Analyse (zeit)geschichtlicher Prozesse die Fähigkeit, komplexe Lagen zu erfassen und dabei moralische Kategorien reflektiert und verantwortungsvoll zur Anwendung zu bringen.
- Sie lernen Staat, Politik und Gesellschaft zu verstehen und wirken – ihrem Alter gemäß – verantwortungsbewusst und solidarisch in der Demokratie mit, dabei zeigen sie die Fähigkeit zu Zivilcourage und konstruktiver Kritik.
- Sie setzen sich mit ethischen Begründungen und Deutungen politischen Handelns auseinander und verinnerlichen demokratische Wertvorstellungen und Einstellungen, die sie vertreten, leben und wenn nötig auch verteidigen.
- Sie kennen die Möglichkeiten der politischen Beteiligung und setzen sich mit ihrer erfolgreichen Anwendung in konkreten Situationen auseinander.
- Sie bringen politik- und gesellschaftsbezogene Meinungen sowie Interessen ein und vertreten diese dabei reflektiert.
- Sie lernen, ihre Kontrollfunktion als Bürgerin oder Bürger in der Demokratie wahrzunehmen, und wirken altersgemäß an politischen und gesellschaftlichen Diskursen mit, indem sie sich in der Schule und im Rahmen der jeweils bestehenden Möglichkeiten innerhalb der demokratischen Ordnung auf kommunaler, landes-, bundes- bzw. europaweiter Ebene aktiv beteiligen.
- Sie zeigen die Fähigkeit zu Empathie und Perspektivenübernahme, zeigen sich kooperationsfähig und berücksichtigen demokratische Spielregeln.
Ziel Politischer Bildung ist die mündige Bürgerin bzw. der mündige Bürger. Für den Unterricht bedeutet dies insbesondere die Beachtung bestimmter didaktischer Prinzipien:
Neutralitätspflicht der Lehrkräfte
Lehrerinnen und Lehrer sind zur Neutralität verpflichtet, sie sollen informieren und zur Meinungsbildung befähigen, ohne zu indoktrinieren. Persönliche Meinungsäußerungen müssen deutlich als solche gekennzeichnet werden. Zu beachten ist, dass Lehrkräfte im Unterricht zur parteipolitischen Neutralität verpflichtet sind (vgl. Art. 96 BayVerf), so ist z. B. auch jede Form der politischen Werbung an bayerischen Schulen verboten (vgl. Art. 84 BayEUG).
Basis des unterrichtlichen Handelns ist der Wertekonsens des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung. Neutralität geht immer vom Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung aus.
Beutelsbacher Konsens als zentraler Maßstab für den politisch bildenden Unterricht
Ein zentraler Maßstab für den politisch bildenden Unterricht aller Fächer sind die Prinzipien des Beutelsbacher Konsenses:
- das sog. Überwältigungsverbot – die Schülerinnen und Schüler erhalten ausreichend Gelegenheit, sich selbstständig ein Urteil zu bilden. Es ist dabei nicht zulässig, die Lernenden im Sinne erwünschter Meinungen zu beeinflussen.
- das Kontroversitätsprinzip – was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht als kontrovers erscheinen. Dabei wird von der Lehrkraft nicht erwartet, jede öffentliche bzw. wissenschaftliche Kontroverse immer in ihrer ganzen Bandbreite abzubilden. Die Zielsetzung ist vielmehr, das Kontroversitätsgebot zum Kern der eigenen Berufsethik zu erheben und so den Unterricht vor Parteilichkeit und Unausgewogenheit zu schützen.
- Die Schülerinnen und Schüler sollen dazu befähigt werden, politische Konstellationen und ihre eigenen Interessenlagen zu analysieren sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage zu beeinflussen.
Aktualitätsprinzip
Im Zentrum eines politisch bildenden Unterrichts steht insbesondere die multiperspektivische Auseinandersetzung mit realen und aktuellen politischen, ggf. auch historischen Fragestellungen und Anlässen, die einen Bezug zur Lebenswelt, zu den Interessen sowie zu den Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler ermöglichen.
Literaturhinweise
- Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus, Gesamtkonzept für die Politische Bildung an bayerischen Schulen (PDF)
- Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus, Rahmenkonzept zur Verfassungsviertelstunde (PDF)
- Kultusministerkonferenz, Demokratie als Ziel, Gegenstand und Praxis historisch-politischer Bildung und Erziehung in der Schule (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 06.03.2009 i. d. F. vom xx.xx.2018) (PDF)
- Kultusministerkonferenz, Menschenrechtsbildung in der Schule (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 04.12.1980 i.d.F. vom xx.xx.2018) (PDF)
- Kultusministerkonferenz, Gemeinsame Empfehlung des Zentralrats der Juden in Deutschland, der Bund-Länder-Kommission der Antisemitismusbeauftragten und der Kultusministerkonferenz zum Umgang mit Antisemitismus in der Schule (Beschluss des Präsidiums des Zentralrats der Juden in Deutschland vom 18.03.2021, Beschluss der Bund-Länder-Kommission der Antisemitismusbeauftragten vom 26.04.2021, Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10.06.2021) (PDF)