Leitfaden zur Implementierung von Ämter- und Gremienarbeit an der Schule
Wer Partizipation durch Ämter- und Gremienarbeit/SMV an Schule implementieren möchte, kommt um gewisse Vorüberlegungen nicht herum.
Vorüberlegungen zur Einrichtung von SMV-Strukturen
Klarheit und pädagogischer Konsens
- In welchen Angelegenheiten beteiligen wir Schülerinnen und Schüler bzw. die Schulgemeinschaft?
- Wie viel Beteiligung lassen wir im jeweiligen Fall zu?
- Welche Gremien beziehen wir mit ein?
- Wie gestalten wir Beteiligungsprozesse und welche Voraussetzungen braucht es dafür?
Diese übergeordneten Fragestellungen lassen sich anhand von mehreren Phasen in Anlehnung an das Modell von Straßburger und Rieger Schritt für Schritt aufschlüsseln. Diese Zusammenstellung soll dazu einen kurzen Überblick geben. Wie die vier Phasen konkret zusammen mit der Schulgemeinschaft ausgestaltet werden können, finden Sie auf der Seite „MIT! – Der Weg zur Partizipativen Schule“.

Entwicklung von Partizipationsmöglichkeiten - vier Phasen
Phase 1: Inhalte und Grenzen der Partizipation festlegen
Erörterung aller Aufgaben und Handlungsfelder im Bereich Schule
- Schwerpunkte setzen für Partizipation: Orientierung an Handlungsfeldern (s. Orienteriungsraster - Unterstützungsmaterial)
Einigung auf Bereiche der Mitbestimmung
- Was können bzw. sollen Schülerinnen und Schüler auf jeden Fall mitentscheiden?
- Was können bzw. sollen Schülerinnen und Schüler keinesfalls mitentscheiden?
- Bereiche der Mitbestimmung visualisieren, z. B. Demokratie-Ampel bzw. Mitbestimmungsampel (PDF)
- Ausmaß der Partizipationsmöglichkeiten bestimmen, z. B. Orientierung an der Partizipationspyramide (PDF)
Phase 2: Formen und Strukturen auswählen
Unterscheidung von Gremien
- Basisdemokratisch: Alle Mitglieder einer Gruppe sind Teil des entsprechenden Gremiums (z. B. Klassenrat)
- Repräsentativ: ausgewählte Gruppe entscheidet stellvertretend für alle (Klassensprecherversammlung)
- Offen: alle, die Betroffene sind und sich interessieren (Runder Tisch, Aushandlungsgruppen)
- Lottokratisch: Auswahl der Entscheidungsträger durch ein genau festgelegtes Losverfahren, dessen Kriterien kontinuierlich den Gegebenheiten angepasst werden können (z. B. „Schülerräte" vgl. „Bürgerräte)
Details klären
- Welche Befugnisse haben die Gremien?
- Wer ist vertreten?
- Wie laufen die Sitzungen ab?
- Wie laufen die Wahlverfahren ab?
Phase 3: Vereinbarungen veröffentlichen, Betroffene informieren
Partizipationsrechte und Beteiligungsgremien beschreiben und in einem Verfahrensentwurf bündeln. (Dieser enthält z. B. Antworten auf Fragen, die in Phase 1 und 2 geklärt werden.)
- Welche Gremien gibt es an unserer Schule?
- Wie setzen sich die Gremien zusammen?
- Welche Aufgaben und Befugnisse haben die Gremien?
- Wie arbeiten die Gremien zusammen?
- Wie wird gewählt?
Die Schulgemeinschaft über Prozesse und Verfahren informieren
- Einen Informationsabend einberufen
- Den Verfahrensentwurf für alle einsichtig machen
- Prozesse und Ergebnisse der Gremienarbeit auf der Homepage, im Schulgebäude und/oder auf einer digitalen Pinnwand veröffentlichen (s. Möglichkeiten der Visualisierung) (Link setzen)
- Protokolle der Gremienarbeit (verständlich) für alle Klassen (z. B. Informationsdienst, "Kinderprotokoll") einsehbar machen
- Aktuelle Informationen an alle Kinder der Schule, Eltern und Lehrkräfte (z. B. Durchsage, Podcast, Schulradio, Schülerzeitung)
Phase 4: Umsetzung
Individuelle standortspezifische und bedarfsorientierte Ausgestaltung auf Basis der getroffenen Vereinbarungen
Zeit: Wann und in welchem Rhythmus findet die Arbeit der Gremien und Arbeitsgruppen statt? Ist die SMV-Arbeit in der Stundentafel verankert?
Raum: Welche Räume stehen für Konferenzen, Schulversammlungen, Arbeit von Arbeitsgruppen zur Verfügung?
Begleitung/Unterstützung: Wer betreut die SMV? Wer organisiert mit den Schülerinnen und Schülern die Konferenzen und Versammlungen? Wer unterstützt bei der Umsetzung von Beschlüssen oder SMV-Aktionen?
Aufbau: Welche Gremien sollen installiert werden? Wie bauen die Gremien aufeinander auf? Wie arbeiten diese zusammen?
Kommunikation: Wie werden alle an Schule Beteiligten über Termine und Veranstaltungen der SMV informiert? Auf welchen Informationswegen werden Ergebnisse und Beschlüsse an die Schulgemeinschaft weitergegeben?
Kooperation: Können uns weitere schulische und außerschulische Institutionen unterstützen? (s. auch Kooperationspartner, Schulentwicklung)
Reflexion: Wie werden die Partizipationsprozesse refelktiert? Wie gehen wir mit Grenzen und Herausforderungen um?
Verlässliche und transparente Prozesse und Strukturen etablieren: Gremien sukzessive einführen, Zusammenarbeit Schritt für Schritt implementieren, Prozesse reflektieren und ggf. nach Testphasen anpassen
Nachdem Klarheit und pädagogischer Konsens in diesen Fragen besteht, kann die konkrete Umsetzung beginnen. Schauen Sie dazu auch auf die Seiten „Beteiligung mit Begleitung", „Ämter- und Gremien für die Grundschule“ und „Ämter- und Gremienarbeit – Ablaufpläne, Checklisten, Material“.
Literatur
- Eiperle, J. (2022): Partizipation von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Ausgewählte Zugänge zu einem komplexen Forschungsfeld. In: Beutel, W./Gloe, M./Himmelmann, G./Lange, D./Reihhardt, V./ Seifert, A. (Hrsg.) Handbuch Demokratiepädagogik. Frankfurt/M.: Debus Pädagogik Verlag, S. 241-256
- Ertlz, S./Matschinke,S/Grüning, M. (Hrsg.) (2022): Mitbestimmung von Kindern. Grundlagen für Unterricht, Schule und Hochschule. Weilheim Basel: Beltz Juventa
- Gasteiger, L/Gloe, M (2020): Partizipative Schulentwicklung und demokratische Schule – Wie Demokratie schon in der Grundschule gelebt werden kann. In: Stückl, G./Wilhelm, M. (Hrsg.) Lehrern und Lernen in der bayerischen Grundschule: Kommentare und Unterrichtshilfen zum LehrplanPLUS Grundschule, 06141033. Kronach: Carl Link Verlag, S. 1-4
- Himmelmann, G. (2022): Demokratie als Lebensform, Gesellschaftsform und Herrschaftsform – Herausforderungen für die Demokratie, Aufgaben für die Pädagogik. In: Beutel, W. u.a. (Hrsg.) Handbuch Demokratiepädagogik. Frankfurt/M.: Debus Pädagogik Verlag, S. 43-51
- ISB Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung: Gesamtkonzept für die Politische Bildung an bayerischen Schulen. KMBek vom 16.08.2017, 2019
- KMK (Kultusministerkonferenz) (2018): Demokratie als Ziel, Gegenstand und Praxis historisch-politischer Bildung und Erziehung in der Schule (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 06.03.2009 i. d. F. vom 11.10.2018) www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2009/2009_03_06-Staerkung_Demokratieerziehung.pdf, Abfrage: 08.12.2022)
- Straßburger, G./Rieger, J. (Hrsg.): Partizipation kompakt. Für Studium, Lehre und Praxis sozialer Berufe. Weinheim-Basel 2019
- Wedekind, H./Schmitz, M. (o.J.): Wenn das Schule macht … Partizipation in der Schule. Baustein C_2_1. Berlin: Deutsches Kinderhilfswerk (http://kinderpolitik.de/bausteine/aktionsfelder/schule, Abfrage: 08.12.2022)