Beteiligung mit Begleitung: Beteiligungsprozesse gestalten
Wie können an der Grundschule Beteiligungsstrukturen entwickelt werden, die den Kindern eine echte Stimme und Ämtern und Gremien Einfluss und Wirkung geben?
1. Beteiligung setzt eine partizipative Haltung voraus
Für das Gelingen von Partizipation spielen die Menschen eine bedeutsame Rolle, die sich diesem Prozess annehmen, für ihn verantwortlich sind und ihn mit Leben füllen. Zentrale Figur ist die Schulleitung. Entscheidend sind ein kollegialer Führungsstil sowie eine partizipative Haltung.
Wichtige Elemente einer partizipativen Haltung sind Flexibilität und Offenheit. Sie meinen die Bereitschaft, sich auf neues und ungewohntes Terrain zu begeben, sowie in einzelnen Bereichen auf die Lebensexpertise der Kinder zu vertrauen und die Kontrolle bis zu einem gewissen Grad abzugeben. Die Erwachsenen verstehen sich auch als Lernende, die sich durch Zuhören und Nachfragen statt durch Belehren und Besserwissen einbringen. Eine partizipative Haltung beinhaltet die Fähigkeit, Akutem den Vorrang vor Geplantem zu geben und sich auf Prozesse einzulassen, die nicht im Detail vorauszusehen sind und auch nicht immer gelingen müssen. Denn auch das Scheitern in einem geschützten Rahmen kann eine wertvolle Erfahrung für Schülerinnen und Schüler sein und sie lehren, bei Misserfolgen nicht gleich aufzugeben, sondern gemeinsam neue und alternative Wege zu suchen.
2. Beteiligung setzt Klärung und pädagogischen Konsens unter Erwachsenen voraus
Im Vorfeld muss mit der Schulleitung und den Lehrkräften und ggf. Eltern bzw. anderen an der Schule beteiligten geklärt werden, was Partizipation bedeutet, zu welchen Themen, bis zu welchem Grad und wodurch Kinder und andere an Schule Beteiligte an schulischen Entscheidungen und Prozessen beteiligt werden.
Von Fall zu Fall können Kinder Beratende sein oder aber auch mitbestimmen. Hierzu müssen (ggf. auch zusammen mit den Schülerinnen und Schülern) Sachaufwandsträger mit ins Boot geholt, Finanzen geklärt oder Genehmigungen geprüft werden. Es ist eine wichtig, dass Kinder echte Selbstwirksamkeitserfahrungen machen. Es ist höchst frustrierend, wenn junge Menschen in langen Ideen- und Entscheidungsfindungsprozessen Lösungen für Probleme finden, von denen sich zum Schluss herausstellt, dass sie keinerlei Chance auf eine Umsetzung haben. Daher kann ein vorausgehender „Realitätscheck“ in vielen Fällen hilfreich sein.
3. Beteiligung in der Grundschule braucht Begleitung
An der Grundschule ist Mitbestimmung vor allem im Rahmen einer organisierten Schülermitverantwortung ohne Unterstützung und Begleitung nicht zu denken. Die Vorsilbe „Mit“ deutet bereits darauf hin, dass es sich um einen gemeinsamen Prozess handelt. Gerade bei Grundschülerinnen und Grundschülern sind hier feste Ansprechpersonen, wie Verbindungslehrkräfte oder eine SMV-Steuergruppe, von zentraler Bedeutung. Die Verantwortlichen treffen sich regelmäßig mit der SMV, begleiten die Arbeit der Schülerinnen und Schüler, planen mit ihnen Projekte und Veranstaltungen, koordinieren und unterstützen die Gremienarbeit und stellen ein Verbindungsglied zwischen Schülerschaft, Lehrkräften und Schulleitung dar. (s. Aufgaben der Verbindungslehrkraft). Voraussetzung für die gelingende Arbeit ist hierbei ein zielgerichteter Einsatz personeller Ressourcen durch die Schulleitung am Schuljahresanfang.
Auch die Schulleitung sowie alle übrigen Lehrkräfte und Pädagoginnen und Pädagogen an der Schule haben eine wichtige Aufgabe, indem sie die Voraussetzungen für Mitbestimmung schaffen. Sie sollten die Beteiligung von Schülerinnen und Schülern im Sinne eines Gestaltungsprinzips für Unterricht und Schulleben immer mitdenken: „Alles, was Erwachsene tun, sollen Kinder und Jugendliche „mit“- tun. Es beginnt mit dem Mitdenken, führt über das Mitreden, Mitplanen, Mitentscheiden, Mitgestalten bis zum Mitverantworten“ (Brückner 2003, S. 94).
Für eine gelingende Begleitung sind einige Faktoren von zentraler Bedeutung. Schulleitungen, Lehrkräfte bzw. Pädagoginnen und Pädagogen
- klären Schülerinnen und Schüler über ihre Rechte und Beteiligungsmöglichkeiten auf.
- greifen Themen, Ideen und Probleme aus der Lebenswirklichkeit von Kindern als Gegenstand für Partizipation auf.
- informieren Schülerinnen und Schüler über die Inhalte, Grenzen und Formen der Beteiligung in kindgerechter und verständlicher Form.
- initiieren Prozesse und setzen einen geeigneten Rahmen, der den heterogenen Lernvoraussetzungen von Grundschulkindern gerecht wird und ihre Reife und ihren Entwicklungsstand im Auge behält.
- wählen je nach Beteiligungsverfahren und -ziel geeignete Verfahren und Methoden, die auf die Diversität der Schülerschaft abgestimmt sind. (s. Methodenpool)
4. Beteiligung braucht klare Rahmenbedingungen, Ergebnisoffenheit und hat Konsequenzen
Eine klare und verlässliche Struktur für Prozesse der Lösungs- und Entscheidungsfindung für alle an Schule Beteiligte, die für unterschiedliche Themen und Fragestellungen immer wieder herangezogen werden kann, ist hilfreich. Dabei sind folgende Aspekte zentral:
- Der zeitliche Rahmen des Prozesses wird transparent kommuniziert.
- Es geht um Themen und Inhalte, die Schülerinnen und Schüler wirklich interessieren und betreffen und im besten Falle von ihnen selbst kommen.
- Es werden Probleme und Themen verhandelt, die verschiedene Lösungs- und Entscheidungsmöglichkeiten beinhalten und bei denen Schülerinnen und Schüler tatsächlich mitbestimmen können.
- Die Ergebnisse werden ernst genommen und (ggf. zusammen mit bzw. von den Schülerinnen und Schülern) umgesetzt.
- Die Kinder können verfolgen, was mit ihren Ideen, Lösungsvorschlägen und Entscheidungen passiert und welche Konsequenzen diese haben.